Mekong – Mutter aller Wasser
3000 Kilometer mit dem Schlauchboot auf dem wildesten der zehn größten Ströme der Erde: Helge Bendl reiste quer durch Südostasien und eriebte den mächtigen Mekong auf einer einmaligen Expedition – vom Delta in Vietnam bis in die Schluchten von China.
Text: Helge Bendl
Fotos: Helge Bendl, Dietmar Necke
Gerade hat hier jemand die Kulissen ausgewechselt. Hat innerhalb von ein paar Minuten die viel zu engen Straßen verschwinden lassen, die um die Wette hupenden Millionen Motorroller, die Frachter im Hafen, die schwer beladen durch das braune Wasser pflügen. Die hektische Geschäftigkeit der aufstrebenden Metropole Saigon, die nur die treuesten der treuen Parteisoldaten Vietnams noch HoChiMinhStadt nennen, ist plötzlich verschwunden. Nur ein paar Minuten sind wir mit den Booten unterwegs, und uns empfängt eine Landschaft, die aussieht wie die Illusion eines Kitschmalers. Fischer, die, sicher auf dem Einbaum balancierend, ihr Netz auswerfen. Hütten aus Palmwedeln neben Bananenstauden und Reispflanzungen in so frischem, vor Leben strotzendem Grün, als habe es irgendwo am Weltcomputer ein Grafiker zu gut gemeint mit der Farbsättigung. Doch das alles ist keine Illusion, sondern die Ouvertüre eines ganz realen Panoramafilms, einer einmaligen Show mit Überlänge. Wach sein muss man deshalb und aufmerksam, seine Sinne neu schärfen. Das dominante Gebrause und Geklingel der Zivilisation hinter sich lassen, sich konzentrieren auf das einzig Wichtige, das endlich tatsächlich nahe Liegende, das in zwei Jahren Vorbereitung manchmal unerreichbar schien. Der Fluss. Der Mekong. Vier Wochen lang befahren wir den wildesten der zehn größten Ströme der Erde. Durch Vietnam, Kambodscha, Laos und Thailand bis China. Eine abenteuerliche Expedition: mit zwei kleinen weißen Schlauchbooten 3150 Kilometer auf dem Mae Nam Khong, der Mutter aller Wasser, wie die Thailänder den Fluss nennen. Wir sind mitten drin statt nur dabei, zunächst hier: im vietnamesischen Delta, wo der Gigant sich zahm gibt, als ausuferndes Netzwerk des Lebens in einem Gebiet so groß wie die Niederlande, mit einem Gewirr von Kanälen und Inselchen, schwimmenden Dörfern, Mangrovenwäldern und Shrimpsfarmen. Frachter grüßen mit aufgemalten roten Augen, die böse Geister abwehren sollen. Marktfrauen, die dunklen Gesichter im Schatten von Reisstrohhüten, halten auf flachen Bötchen Dutzende von Kokosnüssen im Gleichgewicht. Opulente Bilder wie in barocken Szenerien, in denen man sich stunden- und tagelang verlieren könnte.
Der Mann, der uns mit seinen Booten flussaufwärts bringt, steht tagsüber am Steuer und versteckt seine Augen hinter einer verspiegelten Sonnenbrille. Wenn er sie abends abnimmt, wir mit warmem Dosenbier anstoßen auf den Tag, meint man in seinem durchdringenden Blick das Feuer zu sehen, das ihn dazu angetrieben hat, über Jahre für einen Lebenstraum zu kämpfen. „Eine Reise mit ein paar Abenteuern? Das ist es nicht. Es wird eine richtige Expedition“, hatte Andy Leemann vor zwei Jahren am Telefon gesagt. Das Ziel: auf den Spuren der französischen Mekong-Expedition von 1866 zu wandeln. Leemann suchte Sponsoren, trieb 250000 Euro auf und fand in dem Schweizer Armin Schoch einen Logistiker mit großer Südostasienerfahrung. Beide lieben den Fluss, ließen für ihre Expedition Schlauch boote in Südamerika bauen und verhandelten mit den Regierungen von sechs Ländern um Genehmigungen. Und sie holten sechs Männer aus Spanien, Schweden und Deutschland ins Team.
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